Mit Urteil vom 18. Juni 2025 Tage hat das Amtsgericht Hannover entschieden, dass die Landeshauptstadt Hannover nicht als sog. Gesamtschuldnerin für die ausstehende Zahlung der im Insolvenzverfahren befindlichen Projekt IZ Hannover GmbH haftet. Hintergrund war eine Streitigkeit über die Zahlung einer Sonderumlage zur Instandsetzung des Sockelgeschosses des Ihme-Zentrums. Das Gericht hat klargestellt, dass die Gemeinschaftsordnung und ein später geschlossener gerichtlicher Vergleich zwar eine Kostenverteilung zuLasten der Eigentümer der Gewerbeeinheiten vorsähen, diese jedoch eine anteilige und keine gesamtschuldnerische Haftung begründeten. Die Landeshauptstadt Hannover ist daher nicht verpflichtet, den auf die im Insolvenzverfahren befindliche Projekt IZ Hannover GmbH entfallenden Betrag zu übernehmen.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin des Rechtsstreits ist die Gemeinschaft aller Wohnungs- und Teileigentümer des Ihme-Zentrums. Das Ihme-Zentrum ist ein Wohn-, Büro- und ehemaliges Einkaufszentrum, das rechtlich als Anlage nach demWohnungseigentumsgesetz ausgestaltet ist. Die Beklagte ist die Landeshauptstadt Hannover, die Mitglied der Gemeinschaft ist, weil sie Eigentumsanteile am Ihme-Zentrum hält.

Im Jahre 2021 schlossen die Mitglieder der Wohnungs- und Teileigentümer des Ihme-Zentrums einen gerichtlichen Vergleich. Darin vereinbarten sie unter Bezugnahme auf die Teilungserklärung die Erhebung einerSonderumlage von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten für Erhaltungsmaßnahmen des Sockelgeschosses des Ihme-Zentrums. Im September 2022 beschloss der Verwaltungsbeirat, einen Betrag von 4,1 Millionen Euro für verschiedene Sanierungen anzufordern. Die Beklagte zahlte den auf sie nach dem entsprechenden Verteilungsschüssel entfallenden Betrag. Die Projekt IZ Hannover GmbH, eine weitere Eigentümerin einer Gewerbeeinheit, war nach dem Verteilungsschlüssel zur Zahlung eines Betrages von ca. 3,95 Millionen Euroverpflichtet. Sie leistete keine Zahlung und befindet sich mittlerweile im Insolvenzverfahren.

Die Klägerin trat darauf an die Beklagte heran und verlangte von ihr unter anderem die Zahlung des auf die Projekt IZ Hannover GmbH entfallenden Betrages. Dies lehnte die Beklagte ab. Mit ihrer Klage hat die Klägerinzunächst die Zahlung eines Teilbetrags von 100.000,00 EUR verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte als sog. Gesamtschuldnerin hafte.

Wer oder was ist ein Gesamtschuldner?

Ein Gesamtschuldner ist jemand, der zusammen mit einem anderen für die Erfüllung einer Verpflichtung haftet. Der Gläubiger kann in diesen Fällen von jedem einzelnen verlangen, die gesamte Verpflichtung zu begleichen. Er muss also weder an jeden der Gesamtschuldner herantreten, noch muss er die Verpflichtung aufteilen. Erfüllt einer der Gesamtschuldner die Verpflichtung, werden alle Gesamtschuldner von der Verpflichtung befreit. Sie müssen dann untereinander regeln, wer welchen Anteil trägt.

Wäre die Landeshauptstadt Hannover zusammen mit den anderen Eigentümern der Gewerbeeinheiten Gesamtschuldnerin, hätte sie unter Umständen für die gesamte Sonderumlage aufkommen müssen, also auch für den auf die Projekt IZ Hannover GmbH entfallenden Anteil.

Die Entscheidung des Gerichts:

Dieser Auffassung ist das Gericht nicht gefolgt. Das Gericht hat dabei klargestellt, dass eine gesamtschuldnerische Haftung nur bestehe, wenn sie gesetzlich bestimmt oder vertraglich ausdrücklich vereinbart worden sei. Die Klauseln in der Gemeinschaftsordnung sowie der gerichtliche Vergleich sähen eine Kostenverteilung nach einem konkreten Schlüssel vor, der eine anteilige und keine gesamtschuldnerische Haftung begründe. Die Formulierung in der Gemeinschaftsordnung, dass die Kosten von der „Gesamtheit der Raumeigentümer“ zu tragen seien, bezeichne keine gesamtschuldnerische Außenhaftung, sondern lediglich eine interne Verteilung der Lasten innerhalb der Eigentümergemeinschaft. Auch der Verweis auf einen detaillierten Verteilungsschlüssel spreche gegen eine gesamtschuldnerische Haftung.

Das Gericht hat betont, dass eine Ausfallhaftung für die Anteile insolventer Eigentümer nur durch eine eindeutige vertragliche Vereinbarung entstehen könne. Eine solche liege im Streitfall aber nicht vor.

Auch eine Vertragsanpassung wegen der Insolvenz eines großen Miteigentümers lehnte das Gericht ab. Die Insolvenz sei keine grundlegende Änderung der Geschäftsgrundlage, sondern ein allgemeines Risiko, das sich im Rahmen des Gemeinschaftsverhältnisses verwirklicht habe.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig und kann binnen eines Monats mit der Berufung angefochten werden.

Az.: 480 C 7761/24

Amtsgericht Hannover, 19.06.2025

Cookie Consent mit Real Cookie Banner