
Zum 1. Juli 2025 steigen die Pfändungsfreigrenzen, was für Unternehmen finanzielle Risiken birgt, wenn sie die neuen Werte nicht automatisch berücksichtigen. Die Insolvenzrechtskanzlei Schultze & Braun warnt, dass Arbeitgeber haftbar gemacht werden können, wenn sie Arbeitnehmern versehentlich zu wenig auszahlen. Besonders in der Urlaubssaison ist zwischen pfändbarem Urlaubsentgelt und unpfändbarem Urlaubsgeld zu unterscheiden – eine fehlerhafte Abrechnung kann teuer werden.
Den 1. Juli sollten sich Unternehmen am besten jedes Jahr rot im Kalender markieren. Denn dieser Stichtag spielt gerade bei der Erhöhung der sogenannten Pfändungsfreigrenzen – also des Betrages, der bei Lohn und Gehalt eines Arbeitnehmers unpfändbar ist – eine große Rolle. Dr. Elske Fehl-Weileder, die an den Standorten der bundesweit tätigen Kanzlei Schultze & Braun in Nürnberg und München tätig ist, erläutert, worauf Unternehmen achten sollten, um dabei finanzielle Risiken zu vermeiden.
Von existenzieller finanzieller Bedeutung
Laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform waren Ende 2024 rund 5,5 Millionen Deutsche überschuldet. Auch wenn die Anzahl überschuldeter Personen zum sechsten Mal in Folge zurückgegangen ist, stagniert der Anteil der Personen mit sogenannten harten Negativmerkmalen bei der Überschuldung nahezu. Bei fast 3,15 Millionen Deutschen war die Überschuldung bereits so groß, dass sie sehr wahrscheinlich mit einer Lohnpfändung konfrontiert sind oder sich in einer Privatinsolvenz befinden. In solchen Fällen werden die Einkünfte der Betroffenen an ihre Gläubiger verteilt, um die offenen Verbindlichkeiten zu begleichen. Die Antwort auf die Frage „Pfändbar oder nicht pfändbar?“ – also, welcher Betrag ihrer Einkünfte gesetzlich gesichert ist und nicht an die Gläubiger ausgezahlt werden darf – von existenzieller finanzieller Bedeutung. Verschuldete Arbeitnehmer sollen durch die Pfändungsfreigrenzen einen unpfändbaren Betrag als Mindesteinkommen zur Verfügung haben, um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie zu decken. Seit 2021 werden die Pfändungsfreigrenzen jährlich zum 1. Juli angehoben.
Pfändbar oder nicht pfändbar?
Im Umkehrschluss bedeutet das für Arbeitgeber, dass sie sich bei einer Pfändung des Einkommens eines Arbeitnehmers regelmäßig die Frage stellen müssen: „Pfändbar oder nicht pfändbar?“. „Besonders relevant ist die Antwort auf diese Frage jedes Jahr zum 1. Juli, wenn die neuen Pfändungsfreigrenzen beachtet werden müssen. Denn sonst drohen Unternehmen ein erheblicher Mehraufwand oder ein finanzieller Verlust“, sagt Dr. Elske Fehl-Weileder, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun. „Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, die neuen Pfändungsfreibeträge automatisch zu beachten, und ein Arbeitnehmer kann seinen Arbeitgeber für die Differenz haftbar machen – etwa, wenn er weniger als den durch die Pfändungsfreigrenzen geschützten Betrag überwiesen bekommen hat.“
Zurückfordern oder doppelt bezahlen
Der unpfändbare Betrag des Einkommens steigt zum 1. Juli 2025 um 63,25 Euro auf 1.555,00 Euro pro Monat. Überweist ein Arbeitgeber ab dann jedoch weniger als diesen Betrag – etwa auf Basis der bis zum 30. Juni 2025 geltenden Grenze von 1491,75 Euro – muss er die Differenz an den Arbeitnehmer nachzahlen. „Der Arbeitgeber kann die 63,25 Euro dann nur von den Pfändungsgläubigern zurückfordern, die sie zu viel erhalten haben. Der Betrag steht allerdings in der Regel in keiner Relation zum zeitlichen Mehraufwand für die Rückforderung“, sagt Fehl-Weileder. „Noch aufwändiger wird es, wenn der Differenzbetrag für mehrere Arbeitnehmer oder bei unterschiedlichen Gläubigern eingefordert werden muss. Die Alternative: Der Arbeitgeber verzichtet auf die Rückforderung und zahlt somit doppelt.“
Das mag bei 63,25 Euro noch zu verkraften sein – allerdings erhöht sich der pfändungsfreie Grundbetrag, wenn der Arbeitnehmer Unterhaltspflichten erfüllen muss. „Je nach Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen kann der Betrag zusätzlich um mehrere hundert Euro steigen. Im Fall der Fälle kann ein Arbeitgeber also für eine beträchtliche Summe haftbar gemacht werden. Umso wichtiger ist es daher, dass Arbeitgeber die neuen Pfändungsfreigrenzen beachten“, erläutert Fehl-Weileder.
Besonderheiten bei Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt
Mit dem Blick auf die nahende Urlaubssaison ist zudem für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Information wichtig: Urlaubsgeld, das ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber erhält, bleibt ihm im Fall einer Privatinsolvenz oder Lohnpfändung in voller Höhe erhalten und ist nicht pfändbar – aber nur, solange das Urlaubsgeld innerhalb der üblichen Höhe liegt. Das Urlaubsentgelt ist als normales Gehalt hingegen bis zur Pfändungsfreigrenze von 1.555,00 Euro (ab dem 1.7.2025) pfändbar.
Schultze & Braun, 16.06.2025