Wiesbaden, 15. Dezember 2025 (JPD) – Die Jugendämter in Deutschland haben im Jahr 2024 so viele Kindeswohlgefährdungen festgestellt wie noch nie. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) waren rund 72.800 Kinder und Jugendliche von Vernachlässigung, psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen. Damit stieg die Zahl der bestätigten Fälle das dritte Jahr in Folge und lag um fast ein Drittel über dem Niveau von 2019, dem Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie. Gegenüber dem geschätzten Vorjahreswert erhöhte sich die Fallzahl um etwa acht Prozent.

Auch im Vergleich zu den von den Jugendämtern gemeldeten Zahlen für 2023 zeigt sich ein deutlicher Anstieg. Während damals rund 63.700 Kindeswohlgefährdungen registriert wurden, lag das Plus im Jahr 2024 bei rund 14 Prozent. Destatis weist darauf hin, dass die Daten für 2023 aufgrund unvollständiger Meldungen einzelner Jugendämter geschätzt werden mussten.

Vernachlässigung häufigste Form der Kindeswohlgefährdung

Besonders häufig stellten die Behörden Anzeichen von Vernachlässigung fest. In 58 Prozent der Fälle lagen entsprechende Hinweise vor, gefolgt von psychischen Misshandlungen mit 37 Prozent. Körperliche Gewalt wurde in 28 Prozent der Fälle festgestellt, sexuelle Gewalt in sechs Prozent. Während Jungen etwas häufiger von Vernachlässigung und körperlicher Gewalt betroffen waren, überwogen bei psychischer und insbesondere sexueller Gewalt die Mädchen.

Die betroffenen Kinder waren im Durchschnitt 8,3 Jahre alt. Mehr als die Hälfte war jünger als neun Jahre, jedes dritte Kind sogar unter sechs Jahren. Die meisten Minderjährigen lebten bei beiden Eltern oder bei einem alleinerziehenden Elternteil. In knapp einem Drittel der Fälle hatten die Familien einen Migrationshintergrund, bei dem mindestens ein Elternteil im Ausland geboren war und zu Hause nicht Deutsch gesprochen wurde.

In 91 Prozent der Fälle vereinbarten die Jugendämter nach Feststellung einer Gefährdung Hilfen oder Schutzmaßnahmen. In 18 Prozent der Verfahren schalteten sie das Familiengericht ein, etwa wenn Eltern angebotene Unterstützungsmaßnahmen ablehnten oder nicht in der Lage waren, die Gefährdung abzuwenden. In drei Viertel aller Fälle ging die Gefährdung überwiegend oder ausschließlich von einem Elternteil aus.

Mehr als 239.000 Verdachtsmeldungen geprüft

Bereits im Vorfeld der festgestellten Kindeswohlgefährdungen prüften die Jugendämter im Jahr 2024 rund 239.400 Verdachtsmeldungen. Auch dieser Wert markiert einen neuen Höchststand und bedeutet innerhalb von fünf Jahren einen Zuwachs von 38 Prozent. In weiteren rund 78.000 Fällen stellten die Behörden zwar keine akute Gefährdung fest, erkannten jedoch einen Hilfebedarf.

Die meisten Hinweise auf mögliche Kindeswohlgefährdungen kamen von Polizei und Justiz, die knapp ein Drittel der Meldungen ausmachten. Es folgten Hinweise aus der Bevölkerung sowie aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und von Schulen. Deutlich seltener meldeten sich die betroffenen Familien selbst an die Jugendämter.

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