Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland ist im April überraschend deutlich gestiegen. Laut Insol­venztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) wurde der höchste Wert seit Juli 2005 erreicht. Die Zahl der betroffenen Jobs ging hingegen zurück.

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im April bei 1 626 (vgl. Abbildung 1). Das sind 11% mehr als im Vormonat, 21% mehr als im April 2024 und 67% mehr als in einem durchschnittlichen April der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie. Die Aprilzahlen übersteigen sogar die Werte aus der Zeit der Finanzkrise 2008/2009. Zum letzten Mal wurden in Deutschland im Juli 2005 mehr insolvente Personen- und Kapitalgesellschaften gezählt.

Schließungen großer Arbeitgeber führen häufig zu erheblichen und dauerhaften Einkommens- und Lohnverlusten bei den betroffenen Beschäftigten. Die Zahl der von Großinsolvenzen betroffenen Jobs liefert zudem eine gute Annäherung an die Gesamtzahl der von Insolvenz betroffenen Arbeitsplätze. Laut IWH-Insolvenztrend waren im April in den größten 10% der insolventen Unternehmen 14 000 Arbeits­plätze betroffen. Damit liegt die Zahl der betroffenen Beschäftigten um 14% unter dem Vormonatswert und 53% unter dem Niveau von April 2024, aber knapp die Hälfte über dem April-Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019 (vgl. Abbildung 2).

In die Insolvenzstatistik gehen sowohl größere Insolvenzen als auch kleinere Fälle ohne ausreichende Insolvenzmasse (Abweisungen mangels Masse) ein. Das IWH erhebt Frühindikatoren, die dem Insolvenzgeschehen um zwei bis drei Monate voraus­laufen. Diese Indikatoren erfassen die künftige Entwicklung der größeren Insolven­zen in der Regel besser als die der kleineren. Auf Basis der Februarzahlen rechnete die IWH-Insolvenzforschung zuletzt mit konstanten oder leicht rückläufigen Insol­venzzahlen bis April. Ein Grund für die höher als erwartet ausgefallenen Werte im März und April war ein ungewöhnlich hoher Anteil kleiner Insolvenzverfahren in beiden Monaten.

„Sofern der Anteil an kleineren Insolvenzverfahren sich nun wieder dem langjähri­gen Durchschnitt annähert, rechne ich für die kommenden Monate mit sinkenden Insolvenzzahlen“, sagt Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung. „Den­noch werden wir in Deutschland auf absehbare Zeit mehr Firmenpleiten erleben als im vorigen Jahr.“

IWH-Insolvenztrend: Hintergrund, Daten, Methodik

Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben (vgl. Abbildung 3).

Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator für das Insolvenz­geschehen und die wirtschaftliche Entwicklung. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenz­forschungsstelle, gehört das Institut bundes­weit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.

Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesell­schaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz be­troffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verläss­lich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab.

Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem wer­den auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbst­ständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haf­tende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet.

Regelinsolvenzen sind also nicht mit Unternehmensinsolvenzen gleichzusetzen. Die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die prozentualen monatlichen Veränderungen bei den Regelinsolvenzen können sich aufgrund der Vielzahl gesamtwirtschaftlich un­bedeutender Insolvenzfälle deutlich von denen der Personen- und Kapitalgesell­schaften unterscheiden.

IWH, 08.05.2025

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