Der 20. Zivilsenat hat heute unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Erfried Schüttpelz ein Berufungsverfahren des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. („Kläger) gegen einen großen Telekommunikationsanbieter (Beklagte„) zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ausgesetzt.

Gegenstand der Berufung ist eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen („AGB„) der Beklagten. Hierin behält sie sich vor, die Vertragsbedingungen nach billigem Ermessen einseitig zu ändern.

Der Kläger beantragt – auch in zweiter Instanz –, der Beklagten aufzugeben, gegenüber Verbrauchern in Bezug auf Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen die Verwendung dieser oder einer dieser inhaltsgleichen Klausel in AGB zu unterlassen. Er vertritt die Auffassung, ein solcher einseitiger Änderungsvorbehalt verstoße gegen geltendes AGB-Recht, weil er Verbraucher unangemessen benachteilige.

Die Beklagte rechtfertigt ihre AGB mit dem Wortlaut des § 57 Absatz 1 Satz 1 Telekommunikationsgesetz, der – nach Lesart der Beklagten – Anbietern das Recht einräume, in AGB ein Änderungsrecht vorzusehen. Die angegriffene AGB-Klausel wiederhole lediglich den Wortlaut des Gesetzes.

Der Senat führt in seinem heute ergangenen Vorlagebeschluss aus, dass § 57 Abs. 1 S. 1 Telekommunikationsgesetz die nationale Umsetzung des Art. 105 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. L 321/36; „Richtlinie„) darstellt. Aus diesem Grunde sei die Auslegung des Art. 105 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Richtlinie vorab zu klären. Kern der Vorlage ist die Frage, ob die Regelung dem Unternehmer – wie von der Beklagten vertreten –  ein einseitiges Änderungsrecht gewährt oder ob sie lediglich die Rechtsfolgen eines anderweitig geregelten Änderungsrechts normiert. Letzteres würde dazu führen, dass die in Rede stehende AGB-Klausel der Beklagten unwirksam wäre.

Der Senat hat daher dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Vorlagefrage gestellt:

„Ist Art. 105 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. L 321/36; zukünftig: Richtlinie) dahingehend auszulegen,

dass den Anbietern anderer öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste als nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste

das Recht eingeräumt wird, die Vertragsbedingungen kraft Gesetzes einseitig zu ändern, und die Endkunden im Gegenzug hierzu ein Sonderkündigungsrecht erhalten,

oder setzt die Vorschrift ein bereits aus anderen Gründen bestehendes Recht der Anbieter, die Vertragsbedingungen einseitig zu ändern, voraus und regelt lediglich das sich daraus ergebende Sonderkündigungsrecht des Endkunden?“


Aktenzeichen I-20 U 35/24

(c) OLG Düsseldorf, 26.09.2024

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