Die 1. Große Strafkammer (Schwurgericht) des Landgerichts München II hat am 15.10.2024 den 47-jährigen Angeklagten wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
Die Kammer sah nach fünftägiger Hauptverhandlung folgenden Sachverhalt als erwiesen an: Der Angeklagte und die Geschädigte führten über etwa eine Jahr eine Beziehung. Die Beziehung sei dann in eine Krise geraten, was auch daran lag, dass der Angeklagte keiner geregelten Arbeit nachgegangen sei und die Geschädigte eine gemeinsame finanzielle Basis wünschte. Die – arbeitende – Geschädigte habe sich in absehbarer Zeit von dem Angeklagten trennen wollen. Der Angeklagte habe nach dem gescheiterten Versuch einer letzten Aussprache mit der Geschädigten zu einem Messer mit einer 12,5 cm langen Klinge gegriffen, das er nach einer ersten deutlichen Zurückweisung am Tatabend aus dem Auto geholt und bereit gelegt habe. Der Angeklagte habe die Geschädigte anschließend mit der rechten Hand umgedreht und habe ihr sodann mit einer bogenförmigen Bewegung der linken Hand das Messer fast bis zum Anschlag in den Hals gestochen. Das Messer sei im Halse steckengeblieben und habe gleich zwei Venen durchtrennt. Es habe akute Lebensgefahr bestanden. Die Geschädigte habe mit diesem Angriff nicht gerechnet und dem Angeklagten den Rücken zugewendet. Obwohl der Angeklagte erkannt habe, dass die Geschädigte schwer verletzt sei, habe er den Tatort fluchtartig verlassen, ohne sich weiter um ihr Schicksal zu kümmern.
Die Geschädigte habe konstante, nachvollziehbare und plausible Angaben gemacht, die auch das Verletzungsbild erklärten. Dagegen sei die Einlassung des Angeklagten in Form einer Verteidigererklärung„jenseits von gut und böse“, so der Vorsitzende Thomas Bott. Nach allen Beweiswürdigungskriterien sei dies indiskutabel gewesen. Es sei abenteuerlich, mit der Erklärung, der Angeklagte wisse nicht, wie das Messer im Hals gelandet sei, von einer letztlich akzidentiellen Verursachung der Stichwunde im Hals auszugehen.
Anders als die Staatsanwaltschaft wertete das Schwurgericht die Tat als versuchten Totschlag und nicht als versuchten Mord. Der Angeklagte habe mit Tötungsvorsatz gehandelt. Das Schwurgericht lehnte im Ergebnis das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe ab, da das Motiv der Tat nicht eindeutig genug habe bestimmt und als besonders verwerflich habe eingestuft werden können. Zwar sei die Geschädigte zum Zeitpunkt des Angriffs ahnungslos gewesen, dies habe der Angeklagte aber in der konkreten Situation nicht zur Tatbegehung ausgenutzt, vielmehr habe er die Geschädigte noch umgedreht. Der Angeklagte sei trotz einer gewissen Alkoholisierung voll schuldfähig gewesen.
Eine Strafmilderung im Hinblick darauf, dass die Tat nur versucht wurde, lehnte die Kammer insbesondere aufgrund des dramatischen Verletzungsbildes ab. Bei der Strafzumessung berücksichtigte die Kammer, dass Angeklagte massiv vorbestraft ist; er war unter anderem vom Landgericht München II schon einmal wegen eines versuchten Tötungsdelikts zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt worden. Auch wertete die Kammer zu seinen Lasten, dass neben dem versuchten Tötungsdelikte auch eine gefährliche Körperverletzung begangen wurde. Zuletzt fielen die schwer wiegenden Folgen der Tat für das Opfer ins Gewicht.
Das Schwurgericht ordnete die von der Staatsanwaltschaft beantragte vorbehaltene Sicherungsverwahrung nicht an. Zwar sei bei dem Angeklagten noch von einem Hang auszugehen, schwerwiegende Straftaten zu begehen. Angesichts der auch längeren straffreien Passagen im Leben des Angeklagten, seines Alters und Gesundheitszustandes und der nunmehr zu verbüßenden langjährigen Strafe verzichtete die Kammer aber auf die Anordnung.
Die Kammer ordnete zuletzt die Fortdauer der Untersuchungshaft an.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München II steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
(c) LG München I, 15.10.2024