Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist im Jahr 2022 erneut deutlich um über sieben Prozent auf 58.916 Delikte angestiegen. Damit befindet sich die politisch motivierte Kriminalität (PMK) auf dem höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001. Auch die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten ist um vier Prozent auf 4.043 Delikte angestiegen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir müssen unsere Demokratie mit aller Kraft verteidigen – gegen innere genauso wie gegen äußere Bedrohungen. Die politisch motivierte Kriminalität ist ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Konflikte in unserem Land. Der Jahresanfang 2022 war noch geprägt von der Corona-Pandemie. Seither spüren wir die tiefgreifenden Auswirkungen von Putins verbrecherischem Krieg gegen die Ukraine auch in unserer Gesellschaft. Besondere Sorge macht mir, dass Angriffe auf Geflüchtete stark zugenommen haben. Es ist in höchstem Maße menschenverachtend, Menschen zu attackieren, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror gefunden haben. Das zeigt: Vom Rechtsextremismus geht nach wie vor eine besonders hohe Gefahr aus.

Prävention und Härte sind Kern unserer Strategie zur Bekämpfung von Extremismus. Dazu gehören gut ausgestattete Sicherheitsbehörden, eine konsequente Strafverfolgung, politische Bildung und eine starke Zivilgesellschaft. Gleichzeitig gilt: Wir müssen Extremisten noch konsequenter die Waffen entziehen. Dafür brauchen wir die von mir vorgeschlagenen, dringend notwendigen Verschärfungen des Waffenrechts.

Die Gefährdung durch islamistischen Terrorismus ist weiter hoch. Nach dem Fall in Castrop-Rauxel Anfang Januar konnten wir vor kurzem in Hamburg schon den zweiten mutmaßlich islamistischen Anschlag in diesem Jahr verhindern. Wir sind sehr wachsam und handeln international wie national eng vernetzt. Wir setzen unsere harte Gangart gegen Islamisten fort.“

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts: „Im Jahr 2022 war abermals ein neuer Höchststand der Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität zu verzeichnen. In Teilen der Bevölkerung bestehen zudem Radikalisierungstendenzen. Diese Entwicklungen – insbesondere in den Bereichen der politisch motivierten Kriminalität -rechts- und der Hasskriminalität – sind sehr ernst zu nehmen. Sie richten sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und gefährden unseren gesellschaftlichen Frieden. Die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität ist deshalb weiterhin hoch priorisiert – im BKA genauso wie in den anderen Sicherheitsbehörden.

Gemeinsam mit den Länderpolizeien halten wir daher an den Bekämpfungskonzepten fest und entwickeln diese weiter. Wir werden vorhandene Instrumente im Risikomanagement, wie RADAR-rechts, konsequent anwenden und ausbauen, in komplexe Ermittlungsverfahren investieren und die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet im BKA – einschließlich unserer Kooperationen mit NGOs – weiter ausbauen. Die Polizei bleibt auch in Krisenzeiten ein Garant für Stabilität in Demokratie und Gesellschaft.“

24.080 Straftaten entfallen aufgrund ihrer diffusen ideologischen Motivation auf den Phänomenbereich „PMK nicht zuzuordnen“ (seit 1. Januar 2022: „PMK sonstige Zuordnung“), der nach einem Anstieg um 13 Prozent damit den aufkommensstärksten Bereich bildet. Ein wesentlicher Teil dieser Straftaten steht im Zusammenhang mit den Protesten gegen Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie (13.988 Straftaten).

Die zweitmeisten politisch motivierten Straftaten wurden im Jahr 2022 im Phänomenbereich „PMK rechts“ begangen. Nach einem Rückgang im Jahr 2021 sind die Fallzahlen um rund sieben Prozent auf 23.493 Straftaten angestiegen. Auch bei den Gewalttaten wurde ein Anstieg um rund 12 Prozent auf 1.170 registriert. Im vergangenen Jahr wurden 41 Prozent der insgesamt erfassten Opfer von Gewalttaten von rechtsmotivierten Tätern verletzt. Das bestätigt erneut, was für eine große Bedrohung von Rechtsextremisten ausgeht.

Im vergangenen Jahr haben auch die Straftaten gegen Geflüchtete wieder zugenommen. Die Polizeibehörden registrierten 1.420 Straftaten gegen Schutzsuchende – das entspricht einem Anstieg um neun Prozent. Die Zahl der Gewaltdelikte ist um 22 Prozent auf 278 gestiegen. Auch Asylunterkünfte werden immer häufiger zum Ziel von Straftaten, hier ist gegenüber 2021 ein Anstieg um 67 Prozent auf 120 Fälle zu beobachten.

Die antisemitischen Straftaten sind im Jahr 2022 um 12,75 Prozent auf 2.641 Taten (2021: 3.027 Taten) zurückgegangen. Dies ist wegen des Höchststands im Jahr 2021 und der hohen Zahl von 88 Gewaltdelikten (2021: 64 Gewaltdelikte) kein Grund zur Entwarnung. Der weit überwiegende Anteil der Taten von ca. 84 Prozent der antisemitischen Taten sind der politisch rechts motivierten Kriminalität zuzurechnen. Zugleich sind Taten durch islamistisch geprägten Antisemitismus zu beobachten.

Im Themenfeld „Reichsbürger/Selbstverwalter“ sind die Fallzahlen erheblich auf 1.865 Straftaten angestiegen. Dies entspricht einer Zunahme um rund 39,7 Prozent. Die Zahl der Gewalttaten hat sich um rund 40 Prozent auf 333 Delikte erhöht. Die Landesbehörden haben zwischen 2016 und dem Ende des vergangenen Jahres 1.100 waffenrechtliche Erlaubnisse von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ entzogen.

Im Bereich der Hasskriminalität hat sich eine deutliche Zunahme um rund zehn Prozent auf 11.520 gezeigt. Drei von vier dieser Straftaten sind dem Bereich „PMK rechts“ zuzuordnen. Die Zahl der Gewalttaten ist noch deutlicher um 33 Prozent auf nun 1.421 gestiegen.

Im Phänomenbereich „PMK links“ ist die Zahl der Delikte deutlich um rund 31 Prozent auf 6.976 Straftaten gesunken. Bei den Gewalttaten haben die Polizeibehörden einen Rückgang um etwa 30 Prozent auf rund 842 Delikte registriert. Etwa die Beschädigung von Wahlplakaten spielte nach dem Superwahljahr 2021 im Jahr 2022 keine wesentliche Rolle mehr. Außerdem waren wenige wirkstarke Kampagnen und relevante Großveranstaltungen im linken Spektrum zu beobachten.

Gleichzeitig haben sich Klimaproteste im Jahr 2022 zu einem deutlichen Themenschwerpunkt linksmotivierter Straftaten entwickelt. Hier wurden 1.585 Straftaten registriert. Dies entspricht etwa einer Verdoppelung gegenüber 2021. Mehr als 80 Prozent der registrierten Straftaten wurden der „PMK links“ zugeordnet.

Die Fallzahlen im Bereich „PMK religiöse Ideologie“ sind weitgehend konstant (2022: 481 Straftaten; 2021: 479). Es ist aber weiter von einer erheblichen Gefährdung durch islamistischen Extremismus und Terrorismus auszugehen.

Im Phänomenbereich „PMK ausländische Ideologie“ wurde ein starker Anstieg auf 3.886 Straftaten registriert, davon 372 Gewalttaten (2021: 140). Ursächlich sind insbesondere Resonanzstraftaten im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und im Kontext des Konfliktes zwischen der Türkei und der PKK sowie der Situation im Iran.

Die Fallzahlen im Phänomenbereich „PMK religiöse Ideologie“ entsprachen mit 481 Delikten etwa dem Vorjahresniveau. Die Anzahl der Gewalttaten nahm hier um rund 15 Prozent auf 51 Fälle ab.

Im Themenfeld „frauenfeindlich“ wurden 206 Delikte an das Bundeskriminalamt gemeldet, im Themenfeld „geschlechtsbezogene Diversität“ waren es 417. Die Themenfelder wurden im vergangenen Jahr neu geschaffen, um die Phänomene besser erfassen zu können, vorher wurde übergreifend das Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ genutzt (2021: 340 Straftaten). Bei den Gewaltdelikten wurde ein Zuwachs um 42,5 Prozent registriert. Im Themenfeld „sexuelle Orientierung“, in dem homophobe Straftaten erfasst werden, sind die Fallzahlen um rund 15 Prozent auf 1.005 Delikte angestiegen. Bei diesen Themenfeldern ist jedoch von einer besonders hohen Dunkelziffer auszugehen.

Die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität 2022 ist unter www.bmi.bund.de/pmk2022 abrufbar.

Quelle: Bundesministerium des Innern und für Heimat, Pressemitteilung vom 9. Mai 2023

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