Bereits zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode hat im Rechtsausschuss eine Anhörung zum Schutz von sogenannten Whistleblowern, die auf Rechts- und Regelverstöße in Unternehmen und Behörden hinweisen, stattgefunden. Dabei ging es diesmal nicht nur um den Inhalt der Neuregelung, sondern auch um das dafür geplante Gesetzgebungsverfahren. Denn nachdem der Bundesrat einen vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Hinweisgeberschutz abgelehnt hatte, haben die Koalitionsfraktion das Vorhaben in zwei Gesetzentwürfe aufgespalten, von denen nach ihrer Auffassung nur einer im Bundesrat zustimmungspflichtig ist. In diesem Verfahren sehen nun einige Sachverständige die Gefahr eines Verfassungskonflikts.

Der neu eingebrachte Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes (20/5992) ist weitgehend identisch mit dem am 16. Dezember 2022 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf (20/4909). Allerdings nimmt er ausdrücklich Beamte der Länder und Kommunen aus seinem Anwendungsbereich aus. Dadurch ist nach Einschätzung der einbringenden Koalitionsfraktionen keine Zustimmung des Bundesrates mehr erforderlich. In einem zweiten, zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf „zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“ (20/5991) wird diese Einschränkung wieder aufgehoben. Dieses Gesetz soll bereits vor dem eigentlichen Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft treten, so dass letzteres von Anfang an dem ursprünglichen, vom Bundesrat abgelehnten Gesetz entsprechen würde.

Das ursprüngliche Hinweisgeberschutzgesetz hatte in der Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2023 keine Mehrheit gefunden, weil die Länder mit Regierungsbeteiligung von CDU und CSU ihre Zustimmung verweigert hatten. Begründet hatten die Unionsvertreter ihre Ablehnung insbesondere mit einer zu starken Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen. Die von ihnen beanstandeten Regelungen sollen nun nach dem Willen der Koalitionsfraktionen auch ohne Zustimmung der Länderkammer in Kraft treten können.

In der Anhörung des Rechtsausschusses hat der Rechtswissenschaftler Winfried Kluth von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am Montag ernste Bedenken gegen dieses Vorgehen geäußert. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht mehrfach die Aufspaltung von Gesetzesvorhaben in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil gebilligt, allerdings verlangt, dass eine solche Gestaltung nicht willkürlich oder missbräuchlich sein dürfe. Hier gebe es aber Zweifel, so Kluth in seiner Stellungnahme, denn „die Aufteilung in zwei Gesetzesvorhaben war einzig die Reaktion auf die Verweigerung der Zustimmung zum ersten, alle Aspekte umfassenden Gesetzesentwurf“ und nicht inhaltlich begründet.

Übereinstimmend damit kommt der Bonner Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing in seiner Stellungnahme zu dem Schluss: „Wenn es sich hier nicht um Willkür, also nicht aus sachlichen Gründen gerechtfertigte, sondern nur aus dem System der Zustimmungsbedürftigkeit hergeleiteten Trennung handelt, wann dann?“ Nach den Recherchen in seinem Institut habe es einen solchen Fall, dass ein bereits im Bundesrat abgelehntes Gesetz aufgespalten und dann neu eingebracht wird, noch nicht gegeben. Thüsing plädierte eindringlich dafür, stattdessen das Vermittlungsverfahren zu wählen: „Nutzen Sie diese Chance, zu einem besseren Gesetz zu kommen!“

Die Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerks, Kosmas Zittel, wies auf eine Konsequenz hin, wenn das als zustimmungspflichtig eingestufte Aufhebungsgesetz vom Bundesrat abgelehnt werden sollte. Dann gebe es ein „Zwei-Klassen-Recht“, mit dem für Bundesbeamte anderes gilt als für Landes- und Kommunalbeamte. In diesem Fall aber sei auch das eigentliche Hinweisgeberschutzgesetz nicht EU-konform, da ja die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern, die mit der Neuregelung in nationales Recht umgesetzt werden soll, für das ganze Land gelte und damit auch für Landesbedienstete.

Inhaltlich bekräftigten die zu der Anhörung geladenen Sachverständigen, die teilweise schon an der letzten Anhörung im Oktober teilgenommen hatten, vielfach bereits damals geäußerte Kritik, wobei wie damals die positive Einschätzung überwog. Es gab aber auch neue Einwände gegen Änderungen, die der Rechtsausschuss nach der Anhörung in den damaligen Gesetzentwurf eingearbeitet hatte und die sich im jetzt vorliegenden Text wiederfinden.

Wie auch andere Sachverständige sieht der Münchener Rechtsanwalt Maximilian Degenhart, der Unternehmen und Kommunen in Compliance-Fragen berät, in dem Gesetzentwurf eine wesentliche Verbesserung gegenüber geltendem Recht. Er beseitige Rechtsunsicherheit für potenziell hinweisgebende Beschäftigte und Beschäftigungsgeber. Aus seiner Praxis könne er berichten, dass Hinweisgeber fast immer etwas an ihrer Arbeitsstelle verbessern wollten und es „praktisch keine böswilligen Hinweise“ gebe. Dies spreche dafür, wie im Gesetzentwurf vorgesehen internen Meldestellen den Vorrang vor externen Meldestellen zu geben.

Die Belastung kleinerer Unternehmen durch die Umsetzung des geplanten Gesetzes stellte Hildegard Reppelmund, Syndikusrechtsanwältin der Deutschen Industrie- und Handelskammer, in den Vordergrund. Sie stellte deshalb die Pflicht zur Einrichtung anonymisierter Meldekanäle, die einen erheblichen Aufwand erfordere, in Frage. Dagegen begrüßte Louisa Schloussen von Transparency International die verpflichtende anonyme Meldemöglichkeit, die nach der Anhörung im Oktober „auf unsere Kritik hin“, wie sie erklärte, in den Gesetzentwurf eingefügt worden sei, als besonders wichtig.

Aus seiner Erfahrung, dass gerade in kleinen Betriebsstätten die Chefs oft weniger an der Klärung eines gemeldeten Sachverhalts interessiert seien als daran, wer die Meldung gemacht hat, plädierte der Münchener Rechtsanwalt Christoph Klahold, Sprecher des Vorstands des Deutschen Instituts für Compliance, für Meldestellen auf Konzern-Ebene.

Jana Wömpner vom Deutschen Gewerkschaftsbund monierte, dass der Gesetzentwurf an verschiedenen Stellen uneindeutige Begriffe wie den „hinreichenden Grund zur Annahme“ enthalte. Damit werde das Ziel, Rechtsklarheit zu schaffen, verfehlt und es bestehe sogar die Gefahr, dass sich die Rechtsposition von Hinweisgebenden verschlechtert. Zudem blieben verschiedene Regelungen zum Schutz von Hinweisgebenden und zum Schadenersatz hinter der EU-Richtlinie zurück, die mit dem Gesetz umgesetzt werden soll.

Der Göttinger Rechtswissenschaftler Simon Gerdemann, der ein Forschungsprojekt zum Whistleblowing-Recht leitet, forderte die Anpassung des Gesetzentwurfs an eine unlängst ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zusammenhang mit dem sogenannten LuxLeaks-Skandal. Diese bestätige im Kern die Notwendigkeit eines Hinweisgeberschutzes in Fällen von grundlegender Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen. Vor diesem Hintergrund müsse der Schutz des Gesetzes, der sich bisher nur auf die Meldung von Verstößen gegen bestehende Rechtsnormen erstreckt, auch Personen umfassen, die auf formal legale, gesellschaftlich aber bedenkliche Vorgänge hinweisen.

Kontrovers wurde in der Anhörung eine vom Rechtsausschuss im Dezember in den damaligen Gesetzentwurf eingefügte und jetzt übernommene Regelung bewertet, dass Hinweisgeber, die auf verfassungsrechtlich bedenkliche Äußerungen von Beamten hinweisen, auch dann unter dem Schutz dieses Gesetzes stehen, wenn die Äußerungen nicht strafrechtlich relevant sind. Rechtsanwalt David Werdemann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte verwies auf die beamtenrechtliche Relevanz und begrüßte die damit geschaffene Möglichkeit, etwa gegen rechtsextreme Äußerungen in geschlossenen Chatgruppen vorzugehen. Andere Sachverständige warnten dagegen vor einer Kollision dieser Bestimmung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung.

Quelle: Deutscher Bundestag, HiB Nr. 222 vom 28. März 2023

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