Die 7. Kammer des VG Oldenburg hat mit Urteil vom 14. März 2023 (7 A 2609/20) festgestellt, dass die Durchführung eines PCR-Tests im Jahr 2020 bei dem minderjährigen Kläger aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls rechtswidrig war.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am Morgen des 9. September 2020 erhielt der Beklagte die Mitteilung, dass der Bruder eines Schülers der 4. Klasse einer Schule in Aurich positiv auf das Corona-Virus getestet worden sei. Weitere Ermittlungen des Gesundheitsamtes ergaben, dass dieser Schüler die Schule zuletzt am vorangegangenen Freitag, dem 28. August 2020, besucht habe und anschließend mit eigenen coronakonformen Symptomen krank Zuhause geblieben sei. Am nachfolgenden Montag hätten dann einige Mitschüler der 4. Klasse Krankheitssymptome gezeigt. Aufgrund dieser Erkenntnisse suchten Mitarbeiter des Gesundheitsamtes des Beklagten am Vormittag des 9. September 2020 die Schule auf, informierten die Schüler der 4. Klasse und führten PCR-Tests mittels eines Rachenabstrichs bei den Schülern durch, bei denen sie davon ausgingen, dass ein Einverständnis der Erziehungsberechtigten vorlag. In den Fällen, in denen die Eltern oder die Kinder nicht einverstanden gewesen seien, sei – so der Beklagte – ein Test nicht durchgeführt worden.

Auch bei dem Kläger, der am 2. September 2020 eine Hospitation in der 4. Klasse dieser Schule begonnen hatte und an diesem Tag erstmals diese Schule besuchte, führte der Beklagte einen PCR-Test durch. Ein Einverständnis seiner Mutter lag dem Beklagten – was dieser nach eigenen Angaben nicht wusste – nicht vor.

Nach Durchführung der PCR-Tests sprach der Beklagte gegenüber den Schulkindern – so auch dem Kläger – eine Quarantäneanordnung bis zum 11. September 2020 aus.

Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Hierfür waren im Wesentlichen folgende Erwägungen maßgeblich:

Bei seinem Vorgehen ging der Beklagte nach seiner eigenen Darstellung davon aus, dass die Durchführung des PCR-Tests beim Kläger freiwillig erfolgte. Dies war nach den Feststellungen des Gerichts nicht der Fall, denn es lag weder ein Einverständnis der Mutter des Klägers, noch ein wirksames Einverständnis des minderjährigen Klägers selbst vor. Eine Einwilligungsfähigkeit des damals 9jährigen Klägers wurde durch den Beklagten nicht festgestellt.

Hätte ein Einverständnis vorgelegen, wäre die Testung auf freiwilliger Basis erfolgt. Es hätte sich in diesem Fall quasi lediglich um ein behördliches „Testangebot“ gehandelt, das der Betroffene angenommen hätte. Eine verwaltungsgerichtlich zu überprüfende behördliche Maßnahme wäre in diesem Fall insoweit wohl gar nicht erfolgt.

Da ein Einverständnis im Falle des Klägers jedoch nicht vorlag, handelte es sich um eine behördliche Anordnung. Und da ein Verwaltungsakt zur Duldung des Tests vom Beklagten unstreitig nicht erlassen wurde, sondern der Test ohne vorangegangenen Verwaltungsakt vollzogen wurde, handelte es sich in rechtlicher Hinsicht um sog. „unmittelbaren Zwang“ im Wege des Sofortvollzugs.

Diese rechtliche Qualifizierung der Maßnahme hatte jedoch noch nicht unmittelbar die Rechtswidrigkeit des behördlichen Vorgehens zur Folge.

Bei Vorliegen der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen hätte die Testung auch ohne Einverständnis rechtmäßig erfolgen können.

Die Rechtmäßigkeit der Anwendung des „unmittelbaren Zwangs“ – der Durchführung des Tests – setzt unter anderem voraus, dass die zu vollziehende Maßnahme – die Anordnung zur Duldung des Tests – rechtmäßig gewesen wäre.

Dies wiederum setzte hier voraus, dass der Kläger jedenfalls „ansteckungsverdächtig“ war. Dies war nach den seinerzeit geltenden Hinweisen des RKI dann der Fall, wenn der Betroffene Kontakt zu einem „bestätigten Fall von COVID-19″ hatte. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger seine Hospitation in der Schule jedoch erst einige Tage, nachdem der an COVID erkrankte Schüler bereits krank Zuhause geblieben war, begonnen und daher keinen Kontakt zu dem erkrankten Schüler. Dies war dem Beklagten zum Zeitpunkt der Testung zwar nicht bekannt, führte aber dazu, dass die Voraussetzungen der Anordnung eines Tests nicht vorlagen und die Maßnahme daher insgesamt rechtswidrig war.

Da auch die Anordnung der Quarantäne das Vorliegen eines „Ansteckungsverdachts“ voraussetzt, war auch diese Maßnahme mangels Kontakts des Klägers zu einem „bestätigten Fall von COVID-19″ rechtswidrig.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg beantragt werden.

Quelle: Verwaltungsgericht Oldenburg, Pressemitteilung vom 27. März 2023

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