Dem Rauschgiftdezernat der Kriminalpolizei Würzburg ist vergangenes Jahr ein „großer Fisch“ ins Netz gegangen. Ein 34-jähriger Syrer wurde wegen des Handels mit Marihuana im Kilobereich im Großraum Würzburg zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Nun stand der Inhaber einer seiner vermeintlichen Bunkerwohnungen vor dem Landgericht Würzburg. Der Vorwurf: Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Die Tat, die ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legte, ereignete sich an einem denkwürdigen Tag: der 25.06.2021 – der Tag des Messerangriffs in der Würzburger Innenstadt, bei dem drei Frauen getötet und fünf weitere Personen schwer verletzt wurden.

An eben diesem Tag soll ein mittlerweile zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilter Großdealer „Abo*“ fünf Kilogramm Marihuana in einer schwarzen Sporttasche in die Wohnung des Angeklagten gebracht haben. Die zentrale Frage, die sich während aller drei Hauptverhandlungstage stellte: Was wusste der Angeklagte über den Inhalt der Tasche und half er Ibo beim Absatz der Betäubungsmittel?

Angeklagter sagt schließlich aus

Der Angeklagte, der zu Beginn des Verfahrens schwieg, brach am zweiten Verhandlungstag sein Schweigen. Über seinen Verteidiger Güney Behrwind gab er eine erste Erklärung ab: Kennengelernt habe er Abo, da er sein Friseur war. Im Lockdown 2020 habe man sich dann auch privat getroffen, um Abo in seiner Wohnung die Haare zu schneiden. Man lernte sich näher kennen und der Angeklagte gab Abo schließlich einen Schlüssel zu seiner Wohnung – eine „Open-Door-Policy“, die im arabischen Kulturkreis Gang und Gebe sei. Natürlich habe er gewusst, oder zumindest geahnt, womit Abo sein Geld verdient – es wurde viel gemunkelt im Freundeskreis.  Ab und an habe er auch selbst von Abo ein paar Joints bekommen.

Telekommunikationsüberwachung spricht andere Sprache

Das Gericht wies nach dieser Aussage darauf hin, dass dies nicht so ganz zu den Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung passe, die man am ersten Verhandlungstag verlas, auf die sich die Anklage zum großen Teil stützte. Dort war immer wieder konspirativ die Rede von vermeintlichen Betäubungsmittelgeschäften, dem Versteck in der Wohnung und dem Geruch, den das in der Wohnung gelagerte Marihuana dort hinterließ.

Dass die Tasche am 25. Juni 2021 in die Wohnung des Angeklagten verbracht wurde, stand jedoch zweifelsfrei fest: Die Beschaffungsfahrt aus dem Raum Frankfurt nach Würzburg wurde von der Polizei observiert, da man Abo bereits auf der Spur war.

Dieser hatte als Zeuge anschließend seinen Auftritt: Vorgeführt aus der JVA Bayreuth redete er sich im Zeugenstand um Kopf und Kragen. Da sein Urteil bereits seit zwei Wochen rechtskräftig war, musste er wahrheitsgemäß aussagen und konnte sich nicht mehr auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Von Wahrheit war jedoch wenig zu spüren. Vielmehr versuchte er seinem Bekannten mehr zu helfen, als diesem selbst Lieb war und berief sich immer auf Nichtwissen, wenn es unangenehm für ihn wurde. Ein Umstand, der für heftigen Unmut bei der Vertreterin der Staatsanwaltschaft sorgte. Rechtsanwalt Behrwind verzichtete schließlich sogar auf eine eigene Befragung von Abo und bat um eine kurze Unterbrechung um Rücksprache mit seinem Mandanten halten zu können.

Angeklagter ergänzt Aussage

„Ich weiß, dass ich ein großes Risiko eingehe, meinen Mandanten hier selbst sprechen und Fragen des Gerichts beantworten zu lassen“, so Rechtsanwalt Behrwind nach der kurzen Unterbrechung. Aber das Gericht solle sich selbst ein Bild von seinem Mandanten machen, der überhaupt nicht nachvollziehen könne, dass er auf eine Stufe wie Abo gestellt werde.

„Ja, ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich gewusst, womit Abo sein Geld verdient und ab und an habe ich auch selbst geringe Mengen von Marihuana an Kunden für ihn ausgegeben. Verdient habe ich dabei aber nichts,“ so der Angeklagte schließlich. Am angeklagten Tattag sei er erst spät in seine Wohnung gekommen – Abo hatte ja einen Schlüssel. Die Tasche mit dem Marihuana habe er nur kurz gesehen, als dieser etwas entnommen wurde und in eine Plastiktüte gepackt wurde. Diese wurde kurz darauf wieder aus der Wohnung geschafft. Was genau in der Tasche war wusste er nicht.

Rechtsanwalt Behrwind legte sich für seinen Mandanten sichtlich ins Zeug und beantragte die Telekommunikationsüberwachung sich vor Gericht nochmals live übersetzen zu lassen. Bei diesen Verschriftlichungen käme es sehr oft zu Ungenauigkeiten, weil Wörter gerade im Arabischen mehrere Bedeutungen haben könnten.

Telekommunikationsüberwachung nicht eindeutig

Am dritten und letzten Verhandlungstag wurde dann schließlich die umfangreich aufgezeichneten Telefonanrufe zwischen dem Angeklagten und Abo nochmals von einem Dolmetscher simultan dem Gericht übersetzt. Und die Vorhersage des Verteidigers bewahrheitete sich: So eindeutig, wie noch in der Anklageschrift angenommen, waren die Gespräche nicht zu verstehen.

Dies sah auch die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag so. Auch rechnete sie dem Angeklagten hoch an, dass er sich doch noch zur Sache eingelassen hatte. Die Lagerung der Betäubungsmittel und die Ausgabe von kleinen Mengen habe sich in ihren Augen bestätigt, auch für den 25. Juni. Der Angeklagte habe die Tasche gesehen und auch billigend in Kauf genommen, dass eine größere Menge in seine Wohnung gebracht werde. Sie forderte zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe.

„Was hätte mein Mandant tun sollen in dem Moment als er kurz die Tasche gesehen hatte?“, fragte Rechtsanwalt Behrwind rhetorisch? Abo zu Boden werfen und die Polizei anrufen? Und das alles innerhalb weniger Minuten? Seinem Mandanten fehle es am sogenannten doppelten Gehilfenvorsatz. Somit müsse sein Mandant freigesprochen werden. Er wisse aber auch, dass die Strafkammer genauso gut zu einem Schuldspruch kommen könnte. Für diesen Fall beantragte er hilfsweise eine bewährungsfähige Strafe von maximal zwei Jahren, um seinen Mandanten die Chance auf ein neues Leben, dass er sich mittlerweile in Berlin aufgebaut hat, nicht zu nehmen. „Es würde mich persönlich traurig machen, wenn mein Mandant hier und heute keine Chance bekommen würde“, so der Verteidiger abschließend.

Bewährungsstrafe für „ganz schwache Beihilfe“

Diese Chance hat der Angeklagte vom Gericht schließlich bekommen: Das Urteil lautete auf ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe ausgesetzt zur Bewährung. Der Vorwurf, den sich der Angeklagte machen muss, ist nicht der eigentliche Tattag, als die Tasche in seine Wohnung verbracht wurde, sondern bereits die Tatsache, dass er Abo seinen Schlüssel überlassen hatte – wohl wissend, dass dieser Betäubungsmittel in seine Wohnung bringen würde. Mit dieser Urteilsbegründung stützte sich die 8. Strafkammer des Landgerichts Würzburg auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2017 (siehe Hintergrund).

Bei der Strafzumessung ist das Gericht aufgrund der „ganz schwachen Gehilfenschaft“ des Angeklagten von einem minder schweren Fall ausgegangen und konnte aufgrund einer positiven Sozialprognose die Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen.

*Name von der Redaktion geändert 

macbook
Rechtlicher Hintergrund: Anforderungen an den bedingten Vorsatz bezogen auf die Menge von transportierten Betäubungsmitteln

Im Urteil des BGH vom 05.07.2017 – 2 StR 110/17 – ging es um einen LKW-Fahrer, der wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde:

„Nach den Feststellungen transportierte der Angeklagte am 17. Februar 2016 im Auftrag unbekannt gebliebener Dritter für einen Kurierlohn von 1.000 € insgesamt 62,5 Kilogramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 15,5 Prozent aus den Niederlanden nach Deutschland. Er wusste, dass das Rauschgift gewinnbringend weiterveräußert werden sollte. Der Angeklagte stellte sein Fahrzeug auftragsgemäß in einem Industriegebiet ab und ging spazieren. Während seiner Abwesenheit wurde das Rauschgift von Dritten in seinem Fahrzeug deponiert. Bei einer Polizeikontrolle in Deutschland wurde das Rauschgift entdeckt und sichergestellt.“

Das Landgericht hat keinen bedingten Vorsatz des Angeklagten bezüglich der Gesamtmenge des in seinem LKW deponierten Betäubungsmittels angenommen. Diese Würdigung hielt auf die Revision der Staatsanwaltschaft vor dem BGH nicht stand:

„Ein Drogenkurier, der sich zum Transport von Betäubungsmitteln bereit erklärt und weder auf die Menge des ihm übergebenen Rauschgifts Einfluss nehmen noch diese Menge überprüfen kann, wird in der Regel damit rechnen müssen, dass ihm mehr Rauschgift zum Transport übergeben wird, als man ihm offenbart hat. Ist ihm bei dieser Sachlage die tatsächliche Menge der Betäubungsmittel gleichgültig, so handelt er mit bedingtem Vorsatz bezüglich der tatsächlich transportierten Gesamtmenge (vgl. Senat, Beschluss vom 31. März 1999 – 2 StR 82/99, NStZ 1999, 467; BGH, Urteil vom 21. April 2004 – 1 StR 522/03, NStZ-RR 2004, 281).“

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