Der 5. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 8. Februar 2023 in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung.


1) 12.00 Uhr
B 5 R 2/22 R
A. N. ./. DRV Bund
Verfahrensgang:
Sozialgericht Frankfurt am Main, S 4 R 489/16, 29.10.2018
Hessisches Landessozialgericht, L 2 R 411/18, 14.12.2021


Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist, weil es an der erforderlichen Ermessensausübung fehlt.
Die Beklagte durfte die Klägerin als Miterbin grundsätzlich auf Zahlung der gegen die Versicherte festgesetzten Rückforderung in Anspruch nehmen. Der an die Versicherte gerichtete Aufhebungs- und Erstattungsbescheid war mit Rechtskraft des hierzu ergangenen Urteils des Landessozialgerichts bestandskräftig geworden. Die Erstattungsforderung fiel als Verbindlichkeit in den Nachlass der Versicherten. Als Erbin des Ehemannes der Versicherten, der seinerseits die Versicherte bei deren Tod zusammen mit der gemeinsamen Tochter beerbt hatte, haftet die Klägerin grundsätzlich nach §§ 1922, 1967, 2058 BGB als eine von zwei Gesamtschuldnerinnen für die Nachlassverbindlichkeiten ihres Vaters. Die Beklagte durfte diese Forderung auch durch Bescheid festsetzen. Der öffentlich-rechtliche Charakter der Erstattungspflicht ändert sich durch einen Erbfall nicht.
Soll die Vollstreckung, wie im Regelfall, nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz erfolgen, ist ein gesonderter Bescheid erforderlich, in dem die Leistungspflicht des Erben als Vollstreckungsschuldner konkretisiert wird. Diesem Erfordernis hat die Beklagte hier genügt, indem sie mit dem angefochtenen Bescheid die Klägerin aufgefordert hat, 2615,22 Euro zu zahlen. Da die Klägerin hier als Gesamtschuldnerin mit der weiteren Erbin für die Nachlassverbindlichkeit haftet, liegt in ihrer Inanspruchnahme zugleich eine Auswahlentscheidung. Grundsätzlich kann die Beklagte jeden Miterben für die gesamte Erstattungsforderung in Anspruch nehmen. Fordert sie von einem Miterben die gesamte Summe oder einen Teilbetrag, hat sie ihre Auswahl nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Maßstab für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist das Willkürverbot und die Vermeidung einer offenbaren Unbilligkeit. Es muss erkennbar sein, dass die Behörde sich ihres Ermessensspielraums bewusst war. Zudem muss aus dem Bescheid deutlich werden, dass die vom Bescheidadressaten geltend gemachten und rechtlich relevanten Gesichtspunkte zur Kenntnis genommen und in die Erwägungen einbezogen wurden. Gemessen an diesen Kriterien kann der angefochtene Bescheid keinen Bestand haben. Ihm kann nicht entnommen werden, dass die Beklagte sich bewusst war, dass sie Ermessen auszuüben hatte.

Eine nähere Begründung ihrer Entscheidung hatte sich auch nicht deshalb erübrigt, weil die Beklagte die Forderung nach den tatsächlichen Erbquoten aufgeteilt hätte. Die Beklagte ging insofern unzutreffend allein von dem hälftigen Anteil der Klägerin am Erbe des Vaters aus.


2) 13.00 Uhr
B 5 LW 1/21 R
H. B. ./. SVLFG
Verfahrensgang:
Sozialgericht Münster, S 2 LW 8/19, 18.11.2019
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 8 LW 13/19, 26.05.2021


Die Revision hat keinen Erfolg. Es besteht kein Anspruch auf weitere Zinszahlungen.
Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt ihrer Fälligkeit zu verzinsen. Die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Regelaltersrente waren hier nicht vor dem 9. August 2018 erfüllt. Erst nach Inkrafttreten des Qualifizierungschancengesetzes war aufgrund der rückwirkenden Aufhebung von § 11 Absatz 1 Nummer 3 ALG alte Fassung zum 9. August 2018 geklärt, dass die Voraussetzung einer Hofabgabe für einen Rentenanspruch vollständig entfällt. Der Gesetzgeber hatte nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2018 (1 BvR 97/14 und 1 BvR 2392/14) verschiedene Möglichkeiten, die Verfassungswidrigkeit zu beheben. Er hätte auch die Hofabgabeklausel beibehalten und nur die Fälle der Unzumutbarkeit der Hofabgabe näher bestimmen können.


3) 13.00 Uhr
B 5 LW 1/22 R
P. G. ./. SVLFG
Verfahrensgang:
Sozialgericht Koblenz, S 10 LW 17/19, 30.04.2021
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, L 2 LW 3/21, 24.01.2022


Im Hinblick auf die besondere verfahrensrechtliche Konstellation haben die Beteiligten den Rechtsstreit einvernehmlich beendet.

Quelle: Bundessozialgericht, Pressemitteilung vom 8. Februar 2023

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