Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat heute der Klage eines Umweltvereins gegen einen Automobilhersteller aus München wegen irreführender Werbung stattgegeben (1 HK O 4969/22). Dem Beklagten wurde die streitgegenständliche Werbung untersagt.

Der beklagte Autokonzern beschrieb und bewarb im April 2022 auf seiner Internetseite eines seiner Modelle unter der Rubrik „Verbrauch und Emissionen“ mit Werten in räumlicher Nähe zu dem Zusatz „WLTP“. Die von ihm angegebenen Werte waren jedoch nicht mit dem WLTP berechnet, sondern mit dem NEFZ. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Methoden der Verbrauchs- und Abgasberechnung. Die beim (neueren) WLTP berechneten Werte liegen regelmäßig über denen des NEFZ.

Nach Abmahnung durch den klägerischen Umweltverein änderte der Beklagte Autohersteller seine Darstellung, lehnte jedoch die Abgabe eine strafbewehrten Unterlassungserklärung ab.Hiergegen wandte sich der Kläger in seiner Klage auf Unterlassung.

Das Gericht bejahte im Ergebnis eine Irreführung von Verbrauchern.

Der Gefahr der Fehlvorstellung, dass es sich bei den ausgewiesenen Werten um WLTP-Werte handelt, seien insbesondere Verbraucher ausgesetzt, denen die Bedeutung des Zeichens „WLTP“ bereits bekannt sei, d.h. die wüssten, dass es sich dabei um eine Abkürzung für eine Prüfmethode bei der Verbrauchs- und Schadstoffberechnung handele und dass der WLTP den NEFZ abgelöst habe. Anders als die Beklagte geltend mache, sei das Zeichen „WLTP“ nämlich nicht ausreichend abgesetzt von den ausgewiesenen Werten, um eine gedankliche Verbindung auszuschließen. Es sei zwar in Fettdruck geschrieben, aber das sei die Überschrift „Verbrauch & Emissionen“ auch. Das Zeichen „WLTP“ sei jedenfalls nicht merklich größer als die Überschrift. Dass es in Großbuchstaben geschrieben sei, stelle bei Kenntnis von der Abkürzungsfunktion ebenfalls keinen Umstand dar, der eine selbständige, unabhängige Stellung des Zeichens „WLTP“ nahelege. Zuletzt sei der Abstand zwischen der Überschrift zu den konkret angegeben Werten der gleiche wie der zwischen den Werten und dem Zeichen.

Dass das Zeichen „WLTP“ auf der Internetseite einen Link zu einer anderen Seite mit den richtigen WLTP-Werten beinhalte, beseitige die Gefahr einer Fehlvorstellung nicht. Die Verlinkung sei von außen nicht erkennbar. Der Verbraucher stoße allenfalls zufällig darauf, wenn er mit der Maus über das Zeichen fahre. Insoweit könne nicht davon ausgegangen werden, dass dies häufig geschehe. Hinzu komme, dass zur Vermeidung einer Fehlvorstellung der Verbraucher dann den Link auch noch betätigen und anhand der verlinkten Angaben erkennen müsse, dass die zuerst angegebenen Werte NEFZ-Werte seien. Auch daran bestünden erhebliche Zweifel, da die verlinkte Seite über die Werte hinausgehend keinerlei Erklärung enthalte. Insoweit bleibe die Situation für den Verbraucher auch nach Kenntnis der Unterseite verwirrend, weil ihm nirgends klar mitgeteilt werde, dass die zuerst angegebenen Werte solche nach dem NEFZ seien.

Es sei auch davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher zur Zeit des Verstoßes im April 2022 entsprechend informiert war, d.h. Kenntnis von der Existenz und Bedeutung des WLTP hatte. Durch den sog. „Dieselskandal“, bei dem festgestellt wurde, dass Abgaswerte von Personenkraftwagen im Prüfverfahren nach dem NEFZ manipuliert wurden, sei das Thema der Prüfmethode der Abgas- und Verbrauchswerte bei Kraftfahrzeugen seit Mitte der 2010er-Jahre stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und werde entsprechend viel diskutiert. Bereits im Jahr 2018 sei dann der WLTP eingeführt worden. Auch dies sei nicht nur in der Fachpresse im Automobilbereich, sondern auch in der allgemeinen Presse thematisiert worden.

Die Gefahr einer wesentlichen Beeinflussung der Verbraucher sei hier zweifellos zu bejahen, so das Gericht: „Für die Verbraucher sind Verbrauchswerte, aber auch Abgaswerte ein zunehmend wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Personenkraftwagen. Geht der Verbraucher von falschen (insbesondere besseren) Werten aus, hat dies offensichtlich Einfluss darauf, ob er sich weiter – im Internet oder real – mit dem Fahrzeug beschäftigt.“

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht München I, Pressmitteilung vom 7. Februar 2023

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