Der für das Gesellschaftsrecht einschließlich des Vereinsrechts zuständige II. Zivilsenat hat entschieden, dass eine politische Partei einen parteiangehörigen ehrenamtlichen Bürgermeister auf Grundlage ihrer Satzung auf Zahlung eines Teils seiner Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag (sog. Amts- bzw. Mandatsträgerbeitrag) gerichtlich in Anspruch nehmen kann.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger ist ein rechtlich selbständiger Kreisverband der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU). Der Beklagte war von 1972 bis zu seinem Parteiaustritt im November 2019 Mitglied des Klägers. Im Jahr 2015 wurde er zum ehrenamtlichen Bürgermeister einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt gewählt. Zur Bürgermeisterwahl war er nicht als Kandidat des Klägers angetreten, sondern als Einzelkandidat ohne finanzielle oder personelle Unterstützung durch den Kläger. Für seine ehrenamtliche Tätigkeit erhielt er eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 765 €.

Der Kläger hat den Beklagten gestützt auf § 6 Abs. 4 der Finanz- und Beitragsordnung der Satzung des CDU-Landesverbandes auf Zahlung von Sonderbeiträgen in Höhe von insgesamt 740,46 € für die Zeit von Januar 2018 bis November 2019 in Anspruch genommen. Er ist der Auffassung, die in der Satzung geregelten Sonderbeiträge könnten vor den ordentlichen Gerichten eingeklagt werden und der Beklagte sei zur Zahlung der geltend gemachten Beträge unabhängig davon, ob er bei der Wahl als Kandidat der Partei angetreten oder von dieser unterstützt worden sei, verpflichtet.

Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt.

§ 6 Abs. 4 der Finanz- und Beitragsordnung der Landessatzung der CDU Sachsen-Anhalt (im Folgenden: FBO CDU-LSA) begründet einen gerichtlich durchsetzbaren zivilrechtlichen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Leistung der geltend gemachten Sonderbeiträge. Die Regelung ist als Satzungsbestimmung mit körperschaftsrechtlichem Charakter nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Danach handelt es sich bei den dort geregelten Sonderbeiträgen um keine freiwilligen Leistungen oder nicht einklagbare unvollkommene Verbindlichkeiten der Amts- und Mandatsträger, sondern um gerichtlich durchsetzbare Zahlungspflichten.

Die Pflicht des Beklagten zur Leistung der Sonderbeiträge nach § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA ist nicht an eine konkrete vorangegangene Unterstützung durch den Kläger/seine Partei bei der Bürgermeisterwahl geknüpft. Nach dem Wortlaut der Regelung setzt die Pflicht zur Entrichtung der Sonderbeiträge keine konkrete Unterstützungshandlung der Partei voraus, sondern folgt allein aus der Amts- oder Mandatsträgerstellung des Parteimitglieds. Sinn und Zweck der Regelung gebieten keine andere Auslegung. Die Erhebung von Amts- und Mandatsträgerbeiträgen dient der Gewinnung von Einnahmen unter Berücksichtigung der durch die Parteimitgliedschaft vermittelten Vorteile. Diese Vorteile können aber nicht nur in einer konkreten finanziellen oder personellen Unterstützung durch die Partei bei der jeweiligen Kandidatur bestehen. Vielmehr können auch ohne unmittelbaren Zusammenhang mit einer konkreten Wahl ggf. richtungsweisende Unterstützungshandlungen durch die Partei erfolgt sein. Darüber hinaus kann auch ein Kandidat, der sein Amt ohne konkrete Unterstützung durch die Partei erlangt hat, gleichwohl als langjähriges Parteimitglied von wahlberechtigten Bürgern als solches wahrgenommen worden sein oder aufgrund seiner bekannten Parteizugehörigkeit bestimmte Stammwähler angesprochen haben, ohne dass diese Förderung und ihre (Mit-) Ursächlichkeit für seine Wahl quantifizierbar wären.

Verfassungsrechtlich begegnet die Erhebung eines Sonderbeitrags nach § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA von einem ehrenamtlichen Bürgermeister gemäß § 96 Abs. 3 Satz 1 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (im Folgenden: KVG LSA) keinen Bedenken. Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Grundsatz des freien Mandats ist auf kommunale Mandatsträger nicht uneingeschränkt übertragbar. Für Angehörige kommunaler Vertretungskörperschaften wird die Freiheit des Mandats verfassungsrechtlich vielmehr aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet und ist für ehrenamtliche Mitglieder der Kommunalvertretung in § 43 Abs. 1 KVG LSA einfachgesetzlich geregelt. Unabhängig davon, ob und inwieweit diese Mandatsfreiheit überhaupt für einen ehrenamtlichen Bürgermeister (ggf. für seine Tätigkeit im Gemeinderat) gilt, würde sie jedenfalls durch die Erhebung des Sonderbeitrags nicht verletzt. Da § 6 Abs. 4 CDU-LSA nicht an die inhaltliche Ausübung des jeweiligen Amts oder Mandats anknüpft, hat er keine die Freiheit des Mandats beeinträchtigende „Steuerungsfunktion“. Der Rechtsgedanke des in Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten Gebots einer angemessenen Entschädigung der Abgeordneten zur Sicherung ihrer finanziellen Unabhängigkeit steht der Sonderbeitragsregelung ebenfalls nicht entgegen, weil ehrenamtlich Tätige nach § 35 Abs. 1 und 2 KVG LSA anders als Abgeordnete des Deutschen Bundestages keine Alimentation zur Sicherung ihres Lebensunterhalts erhalten, sondern nur Ersatz ihres Verdienstausfalls und ihrer Auslagen bzw. eine pauschalierte Aufwandsentschädigung. Da die Aufwandsentschädigung mit ihrer Leistung in das private Vermögen des Amts- oder Mandatsträgers übergeht, liegt in der Entrichtung eines Teils dieser Entschädigung als Sonderbeitrag an die Partei auch keine verfassungswidrige indirekte staatliche Parteienfinanzierung. Schließlich ist die Erhebung von Sonderbeiträgen von ehrenamtlichen kommunalen Amts- und Mandatsträgern nach § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA auch mit dem aus Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG folgenden innerparteilichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, weil sie durch die oben dargelegte Möglichkeit der Unterstützung des Amts- und Mandatsträgers durch dessen Partei sachlich gerechtfertigt ist. Die Höhe der in § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA festgelegten Sonderbeiträge für ehrenamtliche kommunale Amts- und Mandatsträger ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden.

Ein Verstoß gegen das in § 35 Abs. 3 KVG LSA enthaltene Übertragungs- und Verzichtsverbot liegt nicht vor. Die Regelung betrifft nur das Verhältnis der Kommune zum Empfänger der Entschädigung. Ist die Entschädigung mit ihrer Leistung durch die Kommune in das Vermögen des Empfängers übergegangen, steht diesem die weitere Verwendung der Mittel frei.

Urteil vom 31. Januar 2023 – II ZR 144/21

Vorinstanzen:

AG Naumburg – Urteil vom 11. Januar 2021 – 12 C 261/20

LG Halle – Urteil vom 6. August 2021 – 1 S 16/21

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressemitteilung vom 31. Januar 2023

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