Das Bundesamt für Justiz (BfJ) ist deutsche Zentrale Behörde nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (Haager Kindesentführungsübereinkommen). In dieser Funktion unterstützt es Betroffene bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückführung widerrechtlich entzogener oder zurückgehaltener Kinder. Die aktuellen Zahlen aus 2023 für das BfJ liegen nun vor.

ZIELE DES HAAGER KINDESENTFÜHRUNGSÜBEREINKOMMENS Ziel des Haager Kindesentführungsübereinkommens ist es, Kinder vor den nachteiligen Folgen eines widerrechtlichen Verbringens in einen anderen Vertragsstaat oder eines widerrechtlichen Zurückhaltens dort zu schützen. Entzogene Kinder sollen so schnell wie möglich in den Staat des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts zurückgeführt werden, soweit nicht bestimmte Ausnahmetatbestände vorliegen. Der dahingehende zivilrechtliche Anspruch ist im Entführungsstaat geltend zu machen. Die Entscheidung über die Rückführung des Kindes obliegt den dafür zuständigen Stellen im Entführungsstaat, regelmäßig handelt es sich dabei um Gerichte. Dieses gerichtliche Rückführungsverfahren ist jedoch kein Sorgerechtsverfahren. Über die bloße Rückführung hinausgehende sorgerechtliche und ggf. weitergehende kindschaftsrechtliche Fragen haben vielmehr grundsätzlich die Gerichte im Staat des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zu befinden.

DIE ROLLE DES BUNDESAMTS FÜR JUSTIZ: BERATUNG UND UNTERSTÜTZUNG Das Haager Kindesentführungsübereinkommen verschafft Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen einen zivilrechtlichen Anspruch auf Rückführung des entzogenen Kindes. Das BfJ kann auf Antrag der Betroffenen im Rahmen des Haager Kindesentführungsübereinkommens kostenfrei beratend und unterstützend tätig werden. Es übernimmt damit eine Mittlerfunktion zwischen dem Inland und dem Ausland. Die Beteiligung des BfJ ist allerdings nicht zwingend. Wird ein Kind in einen anderen Vertragsstaat entführt, kann der zurückgelassene Elternteil sich mit dem Antrag an das BfJ wenden, ihn bei der Rückführung des Kindes zu unterstützen. Umgekehrt gilt das BfJ als bevollmächtigt, für Antragstellende aus anderen Vertragsstaaten in Deutschland gerichtlich und außergerichtlich tätig zu werden.

ZAHLEN FÜR DAS JAHR 2023

Im Jahr 2023 verzeichnete das BfJ insgesamt 527 neue Vorgänge nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen. Dabei handelt es sich in 437 Fällen (83%) um Verfahren auf Rückführung eines Kindes und in 90 Fällen (17%) um Umgangsverfahren. Deutschland ist nach den USA und dem Vereinigten Königreich der Staat mit den drittmeisten Fällen im Rahmen des Übereinkommens weltweit. Entziehender Elternteil sind ganz überwiegend die Mütter.

Von den 437 Verfahren auf Rückführung eines Kindes betreffen 236 Kindesentziehungen von Deutschland in einen anderen Vertragsstaat sowie 201 Kindesentziehungen von einem anderen Vertragsstaat nach Deutschland. Die zahlenmäßig bedeutendsten Länder sind die Ukraine (43), die Türkei (38) und Polen (35). Bei den ausgehenden Verfahren in einen anderen Vertragsstaat ist die Türkei wichtigster Partnerstaat (29). Bei aus dem Ausland eingehenden Verfahren steht die Ukraine (33) an erster Stelle, gefolgt von Polen (17).

WICHTIGER HINWEIS ZU DEN FALLZAHLEN

Hinsichtlich der Fallzahlen wird darauf hingewiesen, dass das BfJ als deutsche Zentrale Behörde beratend und unterstützend tätig werden kann, die Einschaltung der Zentralen Behörden jedoch im Rahmen des Übereinkommens nicht zwingend vorgeschrieben ist. Es können daher keine Gesamtzahlen zu grenzüberscheitenden Kindesentziehungen genannt werden. Erfasst werden auch nur Kindesentziehungen zwischen Vertragsstaaten des Übereinkommens, nicht im Verhältnis zu Nicht-Vertragsstaaten. Zudem handelt es sich um ein rein zivilrechtliches Übereinkommen. Nicht umfasst sind daher strafrechtliche Aspekte einer Kindesentziehung, insbesondere im Rahmen des § 235 Strafgesetzbuch (StGB).

(c) BfJ, 14.03.2024

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