Die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat mit Urteil vom 24.05.2022, dessen schriftliche Gründe den Beteiligten nunmehr übermittelt wurden, eine Klage von zwei Anwohnern gegen die Einrichtung einer Fahrradstraße im nord-westlichen Teil der Mannheimer Innenstadt abgewiesen.
Im Zuge eines vom Gemeinderat im Jahr 2019 beschlossenen Konzepts zur Verbesserung des Radverkehrs hatte die Stadt Mannheim als Straßenverkehrsbehörde im August 2020 die Einrichtung einer Fahrradstraße für den Straßenabschnitt G3/H3 bis G7/H7 angeordnet und in der Folgezeit baulich umgesetzt. Da-mit ging eine Umgestaltung des Straßenraums einher, die eine Verbreiterung des Gehwegs, den Wegfall von Pkw-Stellplätzen und Anwohnerparkflächen sowie die Schaffung von weiteren Fahrradstellplätzen entlang des Abschnitts umfasste.
Gegen die Anordnung einer Fahrradstraße erhoben zwei Anwohner zunächst Widerspruch und sodann, nachdem über den Widerspruch nicht rechtzeitig entschieden wurde, Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe. Sie wandten ein, dass die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Fahrradstraße nicht vorlägen. Die Fahr-bahn sei zu eng für die Benutzung durch mehrere Fahrräder oder Pkw und Fahrräder gleichzeitig. Aufgrund des Wegfalls von Parkflächen komme es zusätzlich zu Gefahrensituationen durch auf der Fahrbahn anhaltende Pkw. Als Fußgänger würden sie besonders durch die in beiden Richtungen fahrenden Radfahrer sowie durch die Verengung für zusätzliche Flächen der Außengastronomie gefährdet. Die von der Beklagten zugrunde gelegte Verkehrszählung aus dem Jahr 2014 sei nicht mehr aktuell, da sich der Verkehrsfluss in Richtung Ludwigshafen wegen des Abrisses der dortigen Hochstraße erheblich verändert habe. Insgesamt sei die Einrichtung der Fahrradstraße nicht aufgrund der verkehrlichen Situation geboten, sondern politisch motiviert.
Nachdem von der Beklagten eine aktuelle Verkehrszählung vorgelegt und die örtliche Situation in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen wurde, hat die 14. Kammer die Klage abgewiesen. Aufgrund der besonderen örtlichen Gegebenheiten sei eine erhöhte Unfallträchtigkeit der Verkehrssituation in dem Straßenabschnitt anzunehmen. Dies ergebe sich aus der Bedeutung für den Durchgangsverkehr und der Anziehungskraft des dort angesiedelten Gewerbes (v. a. Einzelhandel und Gastronomie) bei gleichzeitig geringer Fahrbahnbreite und schlechten Sichtverhältnissen. Die neueren Verkehrszählungen bestätigten die verkehrliche Bedeutung ebenso wie den zunehmenden Fahrradverkehr. Die Anordnung sei auch zwingend erforderlich im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO. Die Erforderlichkeit sei nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn die bezweckten Wirkungen bereits aufgrund der allgemeinen Regeln der Straßenverkehrsordnung erreicht würden. Dies sei hier nicht der Fall, da die Regelungswirkungen einer Fahrradstraße dem besonderen Schutz des Fahrradverkehrs besser gerecht würden. Sie entfalteten ihren Schutz auch über den unmittelbar betroffenen Be-reich hinaus, indem sie dort den Fahrradverkehr durch eine Bündelung reduzier-ten. Eine weitergehende Anforderung, dass die Anordnung einer Fahrradstraße die einzige in Betracht kommende Maßnahme sein müsse, ergebe sich aus der Norm entgegen der Ansicht der Kläger nicht. Schließlich seien keine schutzwürdi-gen Interessen der klagenden Anwohner missachtet worden. Die Beklagte habe das Ziel verfolgt, die Interessen der verschiedenen Verkehrsteilnehmer in Aus-gleich zu bringen. Soweit die Kläger Gefahren für Fußgänger befürchteten, ergebe sich aus der Einrichtung der Fahrradstraße keine spürbare Verschlechterung, da die Verbreiterung der Gehwege im Zuge der Neugestaltung dem entgegenwirke.


Das Urteil (14 K 964/21) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim die Zulassung der Berufung zu beantragen. (MB)

Quelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe, Pressemitteilung vom 15. Juni 2022

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