Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Markus Geßler hat mit seiner heutigen Entscheidung die Berufung der Betreiberin eines Frisiersalons gegen die Versagung von Entschädigungsansprüchen zurückgewiesen und damit eine Entscheidung des Landgerichts Heilbronn bestätigt.

Dem liegt zugrunde, dass der Frisiersalon der Klägerin im Landkreis Heilbronn aufgrund der sog. Coronaverordnung des Landes (CoronaVO) vom 23.03.2020 bis 04.05.2020 geschlossen war. Die Klägerin hatte 9.000,- € aus dem Soforthilfeprogramm des Landes Baden-Württemberg erhalten, die sie zurückzahlen muss. Sie verlangt daher mit der Berufung weiterhin von dem beklagten Land eine Entschädigung in Höhe von 8.000 €.

In diesem ersten entschiedenen von weiteren Entschädigungsverfahren, die beim u.a. für Staatshaftungsverfahren zuständigen 4. Zivilsenat des OLG Stuttgart anhängig sind, ging es sowohl um die Verhältnismäßigkeit der Betriebsschließung als auch um die Frage der rechtlichen Grundlage für einen Entschädigungsanspruch der Klägerin.

Der Senat lehnte zunächst zur Frage der Intentionen des Bundesgesetzgebers zu einzelnen Ermächtigungsnormen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine Beweisaufnahme – etwa durch Vernehmung damaliger Kabinettsmitglieder – ab. Dabei handele es sich um rechtliche Einordnungen und juristische Tatsachen, die nicht dem Beweis zugänglich seien.

Auch in der Sache habe die Klägerin mangels entsprechender Anspruchsgrundlage keinen Erfolg: Die ergriffene Betriebsschließungsmaßnahme sei verhältnismäßig gewesen, wie es auch das Bundesverfassungsgericht in vergleichbarer Rechtsprechung festgestellt habe.

Ein Entschädigungsanspruch der Klägerin könne nicht auf § 56 IfSG gestützt werden, da nach dem Gesetzeswortlaut nur ein sog. Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern entschädigungsberechtigt ist. Darunter falle die Klägerin allein als sog. Kontaktmultiplikatorin nicht. Auch eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG scheide aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle und die Entschädigungsvorschriften nach §§ 56 ff IfSG abschließend seien.

Des Weiteren könne die Betreiberin des Frisiersalons ihren Anspruch nicht auf § 55 a.F. Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG BW) stützen, da diesem Entschädigungsanspruch eines sog. Nichtstörers die Sonderregelung des § 56 IfSG im Rahmen der Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten vorgehe. Dies gelte auch für den weiter von der Klägerin geltend gemachten Anspruch aus enteignendem Eingriff: Zwar könne unterstellt werden, dass mit der Betriebsschließung auch das unter dem Schutz des Art. 14 Grundgesetz stehende Recht der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbetreib betroffen war, allerdings seien auch die Regelungen des enteignenden Eingriffs subsidiär gegenüber den abschließenden Sonderregelungen im IfSG. Daher könne die Klägerin auch keine Entschädigung auf der Grundlage des Art. 14 GG verlangen.

Der Senat hat gegen diese Entscheidung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart, Pressemitteilung vom 9. Februar 2022

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