Beim Auftakt des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) haben die rechts­po­li­tischen Sprecher:innen ihre Agenda für die kommende Legisla­tur­periode vorgestellt und rechts­po­li­tische Punkte im Koaliti­ons­vertrag diskutiert. Der Fokus lag auf der Moderni­sierung des Strafrechts und der Digita­li­sierung der Justiz. Bei den Themen Anwalts­ver­gütung, Erfolgs­honorar und Legal Tech blieben die Äußerungen jedoch vage. Bundes­jus­tiz­mi­nister Dr. Marco Buschmann versprach eine enge Zusammen­arbeit mit der Anwalt­schaft. DAV-Präsidentin Edith Kindermann fand klare Worte zum Berufs­ge­heim­nis­trä­ger­schutz.

„Der Berufs­ge­heim­nis­trä­ger­schutz ist unverzichtbar, unverrückbar und an dem darf nicht gekratzt werden.“ Mit deutlichen Worten stimmte DAV-Präsidentin Edith Kindermann die Anwesenden und das virtuelle Publikum auf den rechts­po­li­tischen Auftakt des DAV ein. Dass viele Forderungen und Projekte des Deutschen Anwalt­vereins ihren Weg in den Koaliti­ons­vertrag gefunden hätten, stimme sie zufrieden. Gleich­zeitig benannte sie einige der wichtigsten Punkte, die es in der kommenden Legisla­tur­periode anzugehen gelte: Die Reform des Famili­en­rechts – insbesondere der Betreuung minder­jähriger Kinder und der daran anknüp­fenden finanziellen Folgen – sei eine gesamt­ge­sell­schaftliche Aufgabe. Beim Thema „digitale Transfor­mation“ pochte sie auf eine ganzheitliche Umsetzung und die Einbeziehung der Anwalt­schaft.

Digita­li­sierung der Justiz: Audiovi­suelle Dokumen­tation wird kommen

Im Mittelpunkt der Diskussion stand das Thema Digita­li­sierung der Justiz und der Rechts­pflege. Insbesondere die Forderung des DAV nach einer audiovi­suellen Dokumen­tation von Gerichts­ver­fahren stieß bei den Diskutanten auf Zustimmung. Besonders beim Zivilprozess sah die rechts­po­li­tische Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr, keine Schwie­rig­keiten selbst eines vollständig virtuellen Verfahrens.

Bedenken äußerte die Vorsitzende des Bundestags-Rechts­aus­schusses, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), in Bezug auf Strafprozesse: Die Aussage von Zeugen könne durch deren Wissen beeinträchtigt werden, dass ihre Vernehmung in Bild und Ton dokumentiert werde.

Die Bedenken teilte Bundes­jus­tiz­mi­nister Dr. Marco Buschmann nicht. Er kündigte an, die rechtlichen Rahmen­be­din­gungen zu schaffen, damit die technischen Möglich­keiten auch zum Einsatz kämen: „Wir brauchen das digitale Gericht und den digitalen Rechtsstaat, denn wir leben in einer digitalen Gegenwart“, betonte er in seinem Grußwort.

Einigkeit bei den Koaliti­ons­partnern: Strafrecht muss modernisiert werden

Als zentrales Anliegen nannten Sonja Eichwede (SPD) und Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen) eine Moderni­sierung des Strafrechts. Bestehende Strafrechts­normen müssten auf Handhab­barkeit, Berech­tigung und Wertungs­wi­der­sprüche geprüft werden. Der Strafprozess solle effizienter gestaltet, die Justiz entlastet werden. Katrin Helling-Plahr (FDP) verwies – auch mit Blick auf die aktuelle Debatte um die Wieder­aufnahme von Strafver­fahren zuungunsten Freige­spro­chener – auf verfas­sungs­mäßige Grundsätze, die das Strafrecht nicht aushöhlen dürfe.

Die Vertreter:innen der Ampel-Koalition betonten auch den Ultima-Ratio-Charakter des Strafrechts. Gerade für Bagatell­delikte, wie das Fahren ohne Fahrschein, sei das Strafrecht nicht das richtige Werkzeug, so der rechts­po­li­tische Sprecher der Grünen, Helge Limburg.

Buschmann versprach in seinem Grußwort nicht nur höhere Eingriffs­schwellen bei Behörden-Befugnissen, sondern auch die Streichung der anlasslosen Vorrats­da­ten­spei­cherung und die Überprüfung der geltenden Straf- und Sicher­heits­gesetze. „Diese Koalition wird eine Koalition des Rechts­staats und der Freiheit sein“, so Buschmann.

Sonja Eichwede (SPD) themati­sierte ebenfalls die behörd­lichen Eingriffs­be­fugnisse und griff dabei ein weiteres Projekt des DAV auf: die Überwa­chungs­ge­samt­rechnung. Dieses Vorhaben werde zügig angegangen. „Ich bin froh, bei diesem Thema auf die Expertise und den Rat des DAV zählen zu können“, betonte Eichwede. Gegenrede gab es von Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), die versicherte, es habe in der Vergan­genheit keine überschießende Freiheits­be­schränkung gegeben.

Anwalts­ver­gütung

DAV Präsidentin Edith Kindermann wiederholte die DAV-Forderung einer linearen Anpassung der RVG-Sätze in jeder Legisla­tur­periode. Die Moderatorin der Veranstaltung, Dr. Helene Bubrowski, befragte dazu die Gäste. Einig war man sich auf dem Podium mit dem Bundes­jus­tiz­mi­nister darüber, dass die Anwalt­schaft aufgrund ihrer Funktion angemessen vergütet sein müsste. Als es um die Themen Erfolgs­honorar, Fremdbe­sitz­verbot und den Rechts­rahmen für Legal-Tech-Unternehmen ging, waren die Äußerungen noch unkonkret. Laut Helling-Plahr gebe es aber unstreitig eine regula­to­rische Schieflage zwischen Anwalt­schaft und Legal-Tech-Unternehmen.

Quelle: DAV, Pressemitteilung vom 12. Januar 2022

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